Von Holger Bunk

»Kubus«
Katalogtext über ein Bild von Holger Bunk

Eine ungewöhnliche Situation: Wir sehen uns im Bild »Kubus« von Holger Bunk (1988, Öl auf Leinwand, 150 ✕ 150 cm) einer Figur gegenüber, die wirger Bunk (1988, Öl auf Leinwand, 150 ✕ 150 cm) einer Figur gegenüber, die wir – so wie sie gemalt ist – einem realistischen Bild zuordnen möchten. Es scheint auch ein Porträt zu sein, denn das Gesicht, die Kleidung sind bekannt aus Pastellen des gleichen Jahres, die dasselbe Modell des Malers zeigen.

Dies bedeutet also, der Maler hat das reale Aussehen einer Person in eine Szenerie versetzt, die nun bis auf die Ausnahme des Blickes aus einem Fenster nur noch so tut als entspräche sie der Wiedergabe von Raumkoordinaten. Ist das Sitzen der weiblichen Figur noch ganz unserer Sehgewohnheit entsprechend als Lasten eines Körpergewichts auf einer faltigen Decke zu identifizieren, so ist die Befindlichkeit und Materialität einer „schwebenden“ kubischen Form einem Realitätsnachvollzug nicht mehr zuzuordnen. Ebenso die aus zwei Kreissegmenten gemachten grauen Form in der sich die Person aufzuhalten scheint. Man könnte eine solche Anordnung vielleicht nachbauen, aber keine Funktion (nichtmal ein „Sinn“) ist ersichtlich. Es sei denn, man begibt sich auf die Ebene der Bildbetrachtung, die diese Formen als funktional und sinnvoll für das Bild, für die Konstruktion einer Bildordnung anerkennt.

Holger Bunk – »Kubus« (1987)
»Kubus« (1987), Öl auf Leinwand 185 × 185 cm, Sammlung der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

Aneinandergefügt sind also Bildteile verschiedenen Realitätsgehaltes. Die abgemalte Person, deren Aussehen man mit dem Modell in der Realität demnach vergleichen könnte steht unmittelbar und gemacht aus der gleichen „Malmaterie“ neben dem puren „Bildelement“, das aus der Erfahrung des Malers, seiner Routine des Bildaufbaus entspringt. – Im Bild eine empörende Gleichbehandlung eines Menschen mit einem handwerklichen Vorgang. – Das Sinnvolle (der erkennbare Mensch) steht neben dem Nichtssagenden (dem Bildschema, dem Herummalen).

In einem wesentlich späteren Bild mit dem Titel „Die Gegenstände“ (1995, Acryl auf Nessel, 210 ✕ 280 cm, Slg. Westfälische Provinzial / Westfälisches Landesmuseum, Münster) lässt der Maler eine fast lebensgrosse Selbstporträtfigur zwischen einer Schere, einer Brezel und einem anderen unidentifizierbaren Gegenstand rücklings in eine schwarze Leere purzeln. Physik, Ordnung Größenverhältnisse der Realität sind vor dem Auge immer stückweise da und dann im Sinnzusammenhang eines Interpretationsversuches wieder weg. Ist die Realitätsdarstellung des Malers, die ohne Kontinuität der Bedeutung auskommen will, höchst fahrlässig oder vielleicht genauer als eine Darstellung, die die Realität zu einem stimmigen Sinnzusammenhang abrunden will?

Holger Bunk

Amsterdam, Juni 2000 (Übersetzung aus dem Niederländischen: Holger Bunk)